Betrachtungen
zum EU-Haftbefehl und seinem möglichen Missbrauch,
die wir zur Kenntnisnahme und zur eigenen Urteilsbildung
empfehlen.
Bemerkenswertes zum EU-Haftbefehl
Der erste Eindruck, den die Diskussion um den EU-Haftbefehl
vermittelte, mag durchaus positiv gewesen sein:
Da können endlich die schweren Straftaten –
Rauschgifthandel, Menschenhandel, Kinderpornographie,
usw. – grenzüberschreitend verfolgt,
um schnell und unbürokratisch Schaden zu begrenzen.
Doch das nähere Hinsehen auf diesen EU-Haftbefehl
kann erschrecken: Er kann jedermann treffen! Es
geht in diesem Sealand-Brief um Aufklärung
über möglichen Missbrauch des EU-Haftbefehls!
Im Protokoll der Bundestagssitzung vom 11. März
2004: Siegfried Kauder, CDU: “ ...
Nicht alles, was aus Brüssel kommt, ist Gutes.
Das, was zum Europäischen Haftbefehl aus Brüssel
kommt, ist nichts Gutes. Darin sind sich alle Fraktionen
dieses Hohen Hauses einig.” – Was aber
die Fraktionen des Hohen Hauses nicht hinderte,
diesen Europäischen Haftbefehl einstimmig anzunehmen!
Merkwürdig, trotz dieser einhelligen Meinung!
Warum?
Die wichtigsten Paragraphen:
Auslieferung
“Die Ausschreibung zur Festnahme zwecks Auslieferung
nach dem Schengener Durchführungsübereinkommen,
die die unter Absatz 1 Nr. 1 – 6 bezeichneten
Angaben enthält, oder der diese Angaben nachgereicht
wurden, gilt als Europäischer Haftbefehl.”
Das neue Verfahren
“Der Europäische Rat hat anlässlich
seiner Sondertagung über die Schaffung eines
Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts
in der Europäischen Union vom 15. bis 16. Oktober
1999 in Tampere, Finnland, die gegenseitige Anerkennung
justizieller Entscheidungen als einen Eckstein der
zukünftigen justiziellen Zusammenarbeit in
Zivil- und Strafsachen bezeichnet. Die Schlussfolgerungen
des Europäischen Rates fordern … die
Mitgliedstaaten auf, das bisherige Auslieferungsverfahren
durch ein vereinfachtes System der ‘Überstellung’
zu ersetzen.”
[Ergänzung: Auch der Schengen-Vertrag untersteht
der Zielsetzung der “Schaffung eines Raums
der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts.”]
Keine Überprüfung mehr
“Die beiderseitige Strafbarkeit in Auslieferungsverfahren
wird … zwar beibehalten. Jedoch ist diese
für eine Reihe von Straftaten, die abschließend
in einer Positivliste aufgezählt sind, nicht
mehr zu prüfen.”
Auslieferung eigener Staatsbürger
“So verpflichtet (der Beschluss) die Mitgliedstaaten,
eigene Staatsangehörige zum Zwecke der Strafverfolgung
an einen anderen Mitgliedstaat auszuliefern. Die
Auslieferung kann … jedoch an die Bedingung
geknüpft werden, den Verfolgten nach rechtskräftiger
Verurteilung zur Strafvollstreckung an den Heimatstaat
zurück zu überstellen. Dies dient der
Resozialisierung.”
Kein Rekursrecht
“Die Neuregelung stellt dem geltenden Recht
folgend klar, dass im Bereich der internationalen
Rechtshilfe in strafrechtlichen Angelegenheiten
keine Rechtsmittel gegen Bewilligungsentscheidungen
möglich sein sollen.”
Schnelligkeit vor Recht
“Die fehlende Anfechtbarkeit der Bewilligungsentscheidung
ist zur Verfahrensbeschleunigung und damit zur Umsetzung
der Fristenregelungen … unverzichtbar. Ohne
sie würde die Verpflichtung zur schnellstmöglichen
Erledigung eingehender Aus- oder Durchlieferungsersuchen
praktisch
scheitern.”
Die Positiv-Liste der Delikte,
für die ein EU-Haftbefehl ausgestellt werden
kann und die “Der Rat der Europäischen
Union … im Zuge fortschreitender Harmonisierungsarbeiten
jederzeit erweitern oder ändern kann.”:
- Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung,
- Terrorismus
- Menschenhandel,
- sexuelle Ausbeutung von Kindern und Kinderpornographie,
- illegaler Handel mit Drogen und psychotropen Stoffen
(Rauschgifte),
- illegaler Handel mit Waffen, Munition und Sprengstoffen,
- Korruption,
- Betrugsdelikte, einschließlich Betrug zum
Nachteil der finanziellen Interessen der Europäischen
Gemeinschaften im Sinne der Übereinkommens
vom 26. Juli 1995 über den Schutz der finanziellen
Interessen der Europäischen Gemeinschaften,
- Waschen von Erträgen aus Straftaten,
- Geldfälschung, einschließlich der Euro-Fälschung,
- Cyberkriminalität,
- Umweltkriminalität, einschließlich
des illegalen Handels mit bedrohten Tierarten oder
mit bedrohten Pflanzen- und Baumarten,
- Beihilfe zur illegalen Einreise und zum illegalen
Aufenthalt,
- Vorsätzliche Tötung, schwere Körperverletzung,
- illegaler Handel mit Organen und menschlichem
Gewebe,
- Entführung, Freiheitsberaubung und Geiselnahme,
- Rassismus und Fremdenfeindlichkeit,
- Diebstahl in organisierter Form oder mit Waffen,
- illegaler Handel mit Kulturgütern, einschließlich
Antiquitäten und Kunstgegenstände,
- Betrug,
- Erpressung und Schutzgelder-Erpressung,
- Nachahmung und Produktpiraterie,
- Fälschung von amtlichen Dokumenten und Handel
damit,
- Fälschung von Zahlungsmitteln,
- illegaler Handel mit Hormonen und anderen Wachstumsförderern,
- illegaler Handel mit nuklearen und radioaktiven
Substanzen,
- Handel mit gestohlenen Kraftfahrzeugen,
- Vergewaltigung,
- Brandstiftung,
- Verbrec